Kurz & Knapp
Was? Anonymisierte Rekrutierungsprozesse beinhalten die Gestaltung von Bewerbungsverfahren ohne personenbezogene Daten wie Name, Alter, Geschlecht, Herkunft und Foto.
Warum ist das eine gute Maßnahme? Anonyme Bewerbungen reduzieren nachweislich diskriminierende Voreinstellungen in der Vorauswahl – z. B. wegen Geschlecht, Migrationshintergrund, Alter oder Behinderung. Insbesondere Frauen, Menschen mit ausländisch klingenden Namen oder ältere Bewerbende profitieren von anonymisierten Rekrutierungsprozessen (Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2012).
Schritte zur Einführung im Unternehmen
1. Betrachtung der bestehenden Rekrutierungsprozesse
Bevor Sie ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren einführen, sollten Sie Ihre aktuellen Rekrutierungsprozesse gründlich analysieren.
- Prüfen Sie, welche personenbezogenen Informationen derzeit im Bewerbungsprozess abgefragt und ausgewertet werden.
- Analysieren Sie, an welchen Stellen unbewusste Vorurteile Einfluss auf Entscheidungen nehmen könnten, beispielsweise beim Lesen von Namen, Geburtsdaten oder Fotos.
2. Definition der relevanten anonymisierten Daten
Legen Sie fest, welche Bewerbendendaten im ersten Schritt unsichtbar gemacht werden sollten, um eine möglichst objektive Vorauswahl zu ermöglichen:
- Entscheiden Sie, welche personenbezogenen Daten entfernt werden – z. B. Name, Geschlecht, Geburtsdatum, Foto, Nationalität, Adresse, Religionszugehörigkeit oder Familienstand.
- Konzentrieren Sie sich in der Vorauswahl auf objektive und berufsbezogene Informationen wie Qualifikationen, berufliche Stationen, Kenntnisse, Erfahrungen und Motivationsschreiben.
Tipp: Erstellen Sie eine klare Checkliste, welche Felder im anonymisierten Prozess zugelassen sind – und welche nicht.
3. Anpassung des Bewerbungsformulars oder Auswahl geeigneter Software
Passen Sie Ihre bestehenden Systeme oder Abläufe so an, dass Sie die Anonymisierung technisch und organisatorisch sicherstellen.
- Entwickeln Sie ein standardisiertes Bewerbungsformular, das nur anonymisierte Informationen abfragt.
- Alternativ können Sie Softwarelösungen einsetzen, die automatisch personenbezogene Daten aus hochgeladenen Dokumenten entfernen (z. B. durch PDF-Bereinigung).
- Wenn Sie weiterhin mit papierbasierten Bewerbungen arbeiten, sorgen Sie für ein manuelles Schwärzungsverfahren, bevor die Unterlagen an Fachabteilungen weitergegeben werden.
4. Schulung aller Beteiligten im Auswahlprozess
Bereiten Sie alle am Auswahlprozess Beteiligten auf das neue Verfahren vor.
- Führen Sie Schulungen durch, in denen Personalverantwortliche und Führungskräfte für unbewusste Vorurteile in Bewerbungsprozessen sensibilisiert werden.
- Vermitteln Sie Kriterien für eine objektive Bewertung auf Basis anonymisierter Informationen.
- Erklären Sie, dass Anonymisierung nicht das Vertrauen in Bewerbende mindert, sondern faire Chancen für alle schafft – unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Alter.
5. Evaluation und Verstetigung
Vergleichen Sie die Ergebnisse aus anonymisierten Rekrutierungsprozessen mit herkömmlichen Verfahren:
- Analysieren Sie, ob sich durch die Anonymisierung mehr Vielfalt unter den Bewerbenden in der engeren Auswahl zeigt.
- Sammeln Sie Rückmeldungen aus der Personalabteilung und Fachabteilungen zur Praxistauglichkeit und Wirkung des Verfahrens.
- Nutzen Sie die Erkenntnisse zur Optimierung des Prozesses.
Wer soll eingebunden werden?
Personalabteilung, Geschäftsführung, Führungskräfte, ggf. Betriebsrat, IT-Abteilung
Mögliche Stolpersteine & Tipps
Technische und organisatorische Hürden
Die Einführung eines anonymisierten Bewerbungsverfahrens kann technisch aufwändig sein, insbesondere dann, wenn keine passenden Systeme vorhanden sind oder manuelle Prozesse dominiert werden.
Unser Tipp:
Prüfen Sie frühzeitig, ob geeignete Softwarelösungen zur Verfügung stehen oder Anpassungen an bestehenden Bewerbungsplattformen möglich sind.
Ablehnung durch Führungskräfte oder Personalverantwortliche
Manche Verantwortliche empfinden anonyme Bewerbungen als unpersönlich oder als Kontrollverlust bei der Auswahl.
Unser Tipp:
Stellen Sie den konkreten Nutzen für das Unternehmen heraus – z. B. eine größere Vielfalt im Bewerbendenpool und nachweislich fairere Auswahlentscheidungen.
Verlust zusätzlicher Informationen für den Auswahlprozess
Manche Informationen, die im klassischen Bewerbungsverfahren enthalten sind (z. B. Hobbys, Foto), fehlen – und werden teilweise als wichtig empfunden.
Unser Tipp:
Fokussieren Sie bewusst auf berufsbezogene Eignung. Nicht jede Information trägt zur Qualität der Auswahl bei. Unterstützen Sie Führungskräfte dabei, ihre Kriterien auf fachliche Kompetenz und Potenzial auszurichten.
Erfolgsfaktoren zur nachhaltigen Verankerung
- Frühzeitige Einbindung aller relevanten Akteur:innen: Involvieren Sie Personal-Abteilung und Führungskräfte bereits in der Konzeption des anonymisierten Verfahrens. Nur bei breiter Akzeptanz kann sich die Maßnahme im Unternehmen langfristig etablieren.
- Transparente Kommunikation nach innen und außen: Kommunizieren Sie offen, warum Sie auf anonymisierte Bewerbungen setzen und welchen Mehrwert das Verfahren bietet.
- Verknüpfung mit weiteren Maßnahmen für faire Auswahlprozesse: Ein anonymisierter Rekrutierungsprozess ist besonders wirkungsvoll, wenn er in ein umfassenderes Konzept für objektive und gerechte Personalauswahl eingebettet ist, beispielsweise durch standardisierte Interviews, objektive Bewertungskriterien oder strukturiertes Feedback.
- Evaluation und kontinuierliche Weiterentwicklung: Überprüfen Sie regelmäßig, wie sich das Verfahren auf die Vielfalt und Qualität der Bewerbungen und Besetzungen auswirkt. Nutzen Sie die Erkenntnisse zur Weiterentwicklung und stellen Sie sicher, dass neue Kolleg:innen im Personal- Bereich umfassend geschult werden.
Ressourcen
- Wissensimpulse:
- Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2012): „Pilotprojekt – Anonymisierte Bewerbungsverfahren – Abschlussbericht“
- Fluter (2021): „Sollten Bewerbungen anonym sein?“
- Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg: „Anonymisiertes Bewerbungsverfahren“
- Hilfreiche Tools:
- Softwarelösung für anonyme Rekrutierung (z. B. anonyfy, personio, softgarden)